Lieferkettengesetz & Nachhaltigkeit in der Pharmaindustrie

Supply Chain Act Pharma

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, wurde 2021 verabschiedet und trat 2023 in Deutschland in Kraft. Seit 2024 sind auch Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden betroffen. Sie sind verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken entlang ihrer Lieferkette zu identifizieren, zu bewerten und zu minimieren. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Produkte nicht unter Bedingungen wie Kinder- und Zwangsarbeit oder Umweltverschmutzung hergestellt werden. Unternehmen müssen ein Risikomanagement etablieren, regelmäßige Analysen durchführen und über ihre Maßnahmen berichten. Auch die Europäische Union plant bis 2028 ein eigenes Lieferkettengesetz, das ab 2029 für Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 450 Millionen Euro gelten soll.

In der Pharmaindustrie hat das Lieferkettengesetz bereits jetzt eine besondere Relevanz. Die Branche ist stark globalisiert und verfügt über komplexe Lieferketten. Wirkstoffe und Verpackungen stammen häufig aus Ländern mit niedrigeren Sozial- und Umweltstandards. Das Lieferkettengesetz zwingt Unternehmen dazu, Transparenz zu schaffen und Verantwortung für die Bedingungen in ihren Zulieferbetrieben zu übernehmen. Nachhaltigkeit wird dadurch nicht nur zu einer ethischen, sondern auch zu einer regulatorischen Pflicht. Umweltaspekte wie die Entsorgung von Antibiotikarückständen oder CO₂-intensive Kühlketten stehen ebenso im Fokus wie soziale Themen wie faire Arbeitsbedingungen. Das Lieferkettengesetz fördert eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Pharmaindustrie – mit positiven Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensreputation.

Regulatorische Maßnahmen in der Pharmaindustrie

Ziel des Gesetzes ist es, die unternehmerische Verantwortung über den eigenen Standort hinaus auszuweiten – sowohl auf direkte als auch auf mittelbare Zulieferer.

Konkrete Maßnahmen sind:

  • Risikomanagementsystem: Unternehmen müssen ein strukturiertes System einführen, das menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken entlang der gesamten Lieferkette erfasst – inklusive regelmäßiger Risikoanalysen.
  • Grundsatzerklärung: Eine öffentlich zugängliche Erklärung muss die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Prinzipien sowie die Strategie zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten darlegen.
  • Präventions- und Abhilfemaßnahmen: Bei identifizierten Risiken sind Maßnahmen wie Schulungen, Vertragsklauseln, Lieferantenaudits oder alternative Bezugsquellen erforderlich.
  • Beschwerdemechanismus: Ein internes oder externes Verfahren muss eingerichtet werden, über das Betroffene Missstände melden können. Die Bearbeitung muss dokumentiert und nachvollziehbar sein.
  • Berichtspflicht: Unternehmen müssen jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) einreichen.

Bei Verstößen drohen Bußgelder, Zwangsmaßnahmen und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Die BAFA ist befugt, Prüfungen durchzuführen und Sanktionen zu verhängen.

Vorteile durch eine nachhaltige Lieferkette

Nachhaltigkeit gilt zunehmend als integraler Bestandteil der unternehmerischen Wertschöpfung. In der Pharmaindustrie betrifft das nicht nur ökologische, sondern auch soziale Dimensionen: faire Arbeitsbedingungen, verantwortungsvolle Ressourcennutzung und transparente Lieferketten. Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch verankern, profitieren von langfristiger Resilienz und sind besser gegen regulatorische Veränderungen, Reputationsverluste und Marktunsicherheiten gewappnet.

Auch das Investorenverhalten verändert sich: Kapitalgeber bewerten Unternehmen zunehmend nach ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Wer Nachhaltigkeit glaubwürdig umsetzt, verbessert seine Chancen auf Finanzierung und Partnerschaften. Pharmaunternehmen, die nachhaltige Beschaffung nachweisen können, stärken ihre Marktposition gegenüber Krankenhäusern, Apotheken und Großhändlern.

Nicht zuletzt ist Nachhaltigkeit ein Innovationstreiber. Sie fördert ressourcenschonende Produktionsprozesse, digitale Transparenzlösungen und neue Geschäftsmodelle. Strategisch gedacht, ist Nachhaltigkeit kein Kostenfaktor, sondern ein Wettbewerbsvorteil – besonders in der Pharmaindustrie, die auf Vertrauen, Qualität und globale Verantwortung angewiesen ist.

Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf die Pharmaindustrie

Die Pharmaindustrie ist besonders stark vom Lieferkettengesetz betroffen, da ihre Liefernetzwerke hochgradig globalisiert und komplex sind. Viele Wirkstoffe und Verpackungsmaterialien werden international bezogen – oft aus Regionen mit anderen regulatorischen Standards. Daher kann es zu Herausforderungen im Bereich Umwelt- und Arbeitsschutz sowie bei der Abfallentsorgung kommen. Dazu zählen unzureichende Sicherheitsmaßnahmen beim Umgang mit Chemikalien oder eine nicht sachgemäße Entsorgung von Arzneimittelrückständen. Auch Fragen zu fairen Arbeitsbedingungen und sozialen Standards können auftreten.

Erhält ein Unternehmen Hinweise auf solche Verstöße, ist es gesetzlich verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen:

  • Lieferantenaudits zur Überprüfung der Bedingungen vor Ort
  • Vertragliche Anpassungen, etwa durch ESG-Klauseln oder Sanktionen bei Nichteinhaltung
  • Schulungsprogramme für Lieferanten zur Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards
  • Umstellung auf alternative Bezugsquellen, wenn keine Verbesserung möglich ist
  • Einbindung in Brancheninitiativen, um gemeinsam Standards zu etablieren

Diese Maßnahmen müssen dokumentiert und im jährlichen Bericht gegenüber dem BAFA offengelegt werden. Das Lieferkettengesetz bewegt die Pharmaindustrie zu einem aktiven, strukturierten Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken – und fördert langfristig eine verantwortungsvollere Lieferkette.

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